Der Brand im Wallis hat nicht nur über 100 Hektaren Wald zerstört, sondern auch eine kontroverse Debatte entfacht: Der Helikopterfirma Air Zermatt wird Geldgier vorgeworfen. Doch wie funktioniert das Geschäftsmodell der Helikopterfirmen?
Die Lage ist stabil, doch ist die Gefahr im Wald oberhalb von Bitsch (VS) nicht gebannt. Der Brand schwelt in den Wurzeln und Baumstrünken weiter. Ein Armee-Helikopter des Typs Super Puma, ausgerüstet mit einer Wärmebildkamera, überfliegt das Gebiet und sucht nach den Glutnestern. So können Feuerwehrtrupps vom Boden aus sowie zwei Löschhelikopter diese gezielt ausmerzen.
Ein Positivbeispiel also für das Subsidiaritätsprinzip – mit der Armee, die einspringt, wenn es sie braucht. Allerdings war die Präsenz des Militärs kurz nach Ausbruch des Waldbrandes bei der privaten Helikopterfirma Air Zermatt weitaus weniger gut angekommen.
Sie drohte gar, ihre Helikopter abzuziehen, wenn die Armee einen weiteren Grosshelikopter in die Luft schicken würde – aus Sicherheitsgründen. Dies stand in einem Mail, das Verwaltungsratspräsident Philippe Perren an Armeekader sowie diverse Verantwortliche privater Helikopterfirmen verschickte, wie die Tageszeitung «Walliser Bote» publik machte.
Air Zermatt-CEO wehrt sich gegen Geldgier-Vorwurf
Den Vorwurf der Geldgier wies CEO Gerold Biner gegenüber Medien heftig zurück. Die in der Akutphase eingesetzten Grosshelikopter gehörten allesamt nicht Air Zermatt, sondern anderen Helikopterfirmen. «Damit verdienen wir keinen Franken», sagte Biner. Doch wie viel kostet so ein Helikopterflug überhaupt?
Bisher waren die Tarife für Helikoptereinsätze bei Naturereignissen wie dem aktuellen Waldbrand nicht bekannt. Auf Anfrage von CH Media teilt der Kanton Wallis mit, er habe mit den einheimischen Helikopterfirmen für solche Einsätze ein Kostenreglement vereinbart. Die entsprechende Preistabelle zeigt, dass sich die Kosten pro Stunde zwischen 1600 und 11’000 Franken belaufen, je nach Helikoptertyp.
Beim Brand in Bitsch standen von Air Zermatt wie auch der Schwester-Firma Air-Glaciers sogenannte Écureil-Helikopter im Einsatz, deren Stundenansatz bei rund 2500 Franken liegt. Die eingesetzten K-Max-Grosshelikopter der St.Galler Firma Rotex Helicopter sowie der beigezogene Super Puma der Lions Air mit Sitz in Wollerau (SZ) sind demnach nicht nur deutlich grösser, sondern auch um ein Vielfaches teurer.
Wie hoch die Rechnung für die Löscheinsätze insgesamt ausfällt, lasse sich noch nicht beziffern, teilt der Kanton mit. Erfahrungen aus den letzten grossen Einsätzen hätten gezeigt, das sich die Kosten in Millionenhöhe bewegen würden. Die Air Zermatt äusserte sich auf Anfrage nicht zu den Kosten ihrer Einsätze.
Kosten von 2,4 Millionen für einen Rettungshelikopter
Christian Gartmann, Sprecher beim Branchenverband Swiss Helicopter Association, sagt, ihm sei keine Helikopterfirma bekannt, die bei einem Katastropheneinsatz einen grösseren Gewinn erzielt habe. Vielmehr würden die Firmen hohe Kosten tragen, um rund um die Uhr einsatzbereit zu sein – für Pikettdienste, die Spezialausrüstung für verschiedene Einsätze, die Ausbildung und das Training.
Als die Helikopter-Branche während der Corona-Pandemie in eine Krise stürzte, sagte Air-Zermatt-Chef Perren, ein Rettungshelikopter koste 2,4 Millionen Franken pro Jahr – egal, ob Einsätze geflogen werden oder nicht.
Meiste Einnahmen durch Transportflüge
Eine Studie der Universität St.Gallen aus dem Jahr 2015 nannte einen ähnlichen Betrag. Helikopterfirmen – mit Ausnahme der Rega, die sich mehrheitlich mit Gönnereinnahmen finanziert – verdienten ihr Geld vor allem mit Transportflügen. Darunter fallen etwa Materiallieferungen auf Baustellen am Hang oder Holzabtransporte.
Bei im Gebirge tätigen Unternehmen generiert die Arbeitsfliegerei laut der Studie 70 Prozent der Einnahmen. 20 Prozent stammen von Tourismusflügen. Rettungsflüge hingegen seien ein Verlustgeschäft.
Wenn Air Zermatt eine verletzte Wanderin birgt, ist klar geregelt, wie sie den Rettungsflug verrechnet. So schreibt das Gesetz vor, dass die Helikopterfirmen mit den Kranken- und Unfallversicherern fixe Tarife aushandeln müssen. Dass jedoch bei Air Zermatt die Kosten zwischen kommerziellem Bereich und der Rettungsfliegerei nicht so leicht zu trennen sind, zeigt, ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2017.
Kanton kennt Geschäftszahlen von Air Zermatt
Das Gericht musste darüber entscheiden, ob die angepassten Tarife für Rettungsflüge rechtmässig sind, nachdem sich Air Zermatt und Air-Glaciers mit den Krankenversicherungen jahrelang darüber gestritten hatten. Die Tarife, die mangels einer Einigung später der Kanton festlegte, würden gegen das Gesetz verstossen, urteilte die Richterin. Dies, weil sie nicht auf Basis der effektiven Kosten der Helikopterfirmen berechnet worden seien.
In der Kritik stand auch Air Zermatt, weil sie die nötigen Geschäftszahlen nicht transparent ausgewiesen habe. So hatte die Firma in ihrer Kostenaufstellung für einen Rettungshelikopter bei den Löhnen nur Normwerte angegeben. Die zuständige Walliser Staatsrätin verkündete daraufhin, sie werde detaillierte Rechnungen verlangen und prüfen, wie effizient Air Zermatt und Air-Glaciers arbeiteten. Welche Preise wirtschaftlich sind – auch bei den Löschflügen –, dürfte der Kanton seither nur zu gut wissen.
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