Damit die olympischen Athletinnen und Athleten in der Seine schwimmen können, muss der Fluss genug sauber sein. Auch im Kanton Aargau wird an 17 beliebten Badeplätzen gemessen, wie viele Keime im Wasser sind. Wo und wann das Risiko für einen Infekt am grössten ist.
Aargauer Zeitung, erschienen am 27. Juli 2024
Es sollte der ultimative Beweis dafür sein, dass die Seine in Paris sauber genug ist für die Triathletinnen und Freischwimmer: Vergangene Woche sprang Bürgermeisterin Anne Hidalgo höchstpersönlich in den Fluss und kraulte ein paar Meter. Dies, nachdem das Baden 100 Jahre lang verboten war. Zu dreckig war das Wasser. Zu gross die Gefahr, sich einen Infekt aufzulesen.
Wie sieht es im Aargau aus? Wo lässt es sich an Flüssen und Seen unbesorgt baden – und wo lauern krankmachende Keime im Wasser? Wie eine Recherche zeigt, wird die Qualität des Badewassers hierzulande ähnlich beurteilt wie in Frankreich. Ob das Wasser sauber genug ist, hängt nicht davon ab, ob Politikerinnen und Politiker darin baden. Entscheidend ist die Bakterienzahl.
Der Hallwilersee ist am saubersten
Um herauszufinden, wie viele potenziell krankmachende Bakterien im Wasser sind, nimmt der Kanton regelmässig Proben an 17 Badeplätzen. Dort, wo sich im Sommer erfahrungsgemäss die meisten Menschen aufhalten. So schreibt es das Gesetz vor.
«Grundsätzlich ist die Wasserqualität im Aargau gut bis sehr gut», sagt Irina Nüesch, Leiterin der Sektion Trink- und Badewasser im Gesundheitsdepartement. Das zeigt sich auch daran, dass der Kanton in den letzten 20 Jahre nirgends ein Badeverbot verhängen musste. Dennoch gibt es auch in Aargauer Gewässern beträchtliche Unterschiede bei der Sauberkeit.
Am saubersten ist das Wasser an den fünf Badeplätzen am Hallwilersee sowie beim Zollübergang in Kaiserstuhl, wie die Karte unten zeigt. Wer dagegen in der Reuss bei der Eisenbahnbrücke in Gebenstorf badet, sollte besonders gut darauf achten, nicht zu viel Wasser zu schlucken. Hier ist das Risiko, einen Magendarminfekt oder eine Bindehautentzündung aufzulesen, höher als andernorts.
Um die Gesundheitsrisiken abschätzen, muss man zunächst verstehen, wie die Wasserqualität bestimmt wird. Wie in der EU werden auch in der Schweiz die Konzentrationen von zwei Bakteriengruppen genauer angeschaut: Kolibakterien und Enterokokken. Beide kommen fast ausschliesslich im Darm vor. Findet man sie in grosser Zahl im Wasser, deutet dies auf eine Verschmutzung durch Fäkalien hin. Je mehr Bakterien, desto eher gibt es einen Infekt.
Einzelne Messungen nahe an Grenzwert
In Paris liegt das Augenmerk auf den Kolibakterien. Damit die Wettkämpfe stattfinden können, dürfen nicht mehr als 900 dieser Bakterien pro 100 Milliliter Wasser nachgewiesen werden – so die Vorgabe des Triathlonverbandes und auch der EU-Badegewässerrichtlinie. Bei den Aargauer Badeplätzen liegt der Mittelwert der letzten vier Messjahre überall unter diesem Grenzwert.
Allerdings: Beim Strandbad im Schachen in Brugg oder auch bei der Reussbrücke in Gebenstorf war der Wert mit zuletzt 885 beziehungsweise 890 Kolibakterien pro 100 Milliliter nicht weit davon entfernt.
Wie gross ist also das Risiko, an diesen Orten beim Baden krank zu werden? Sich zu stark auf die gemessene Bakterienzahl abzustützen, mache keinen Sinn, sagt Wasserexpertin Irina Nüesch. Denn letztlich handle es sich dabei nur um eine Momentaufnahme. Und anders als in der EU, wo an den beliebten Badeplätzen mindestens vier Messungen pro Saison gemacht werden, geschieht dies im Aargau nur sporadisch.
Die stichprobenartigen Messungen sind auch der Grund, wieso der Kanton auf seiner Webseite nicht die Keimzahlen veröffentlicht, sondern nur die darauf basierende Einstufung der Wasserqualität. Diese reicht von sehr gut bis schlecht. Dabei handle es sich um Erfahrungswerte über die letzten 20 bis 30 Jahre, sagt Nüesch.Wird das Badegewässer als sehr gut bis gut eingestuft, ist das Risiko, sich eine Infektion zuzuziehen, vernachlässigbar. Bei «akzeptabel» lautet die Einschätzung: «Gesundheitliche Beeinträchtigung nicht auszuschliessen». Und die Empfehlung: nicht tauchen, nach dem Baden gründlich duschen.
Ist die Wasserqualität zu häufig schlecht, rät der Kanton vom Baden ab. An drei Flussbadeplätzen wurde das Wasser bisher vereinzelt so eingestuft: bei der Reussbrücke in Gebenstorf, an der Reuss in Mellingen vor der Kläranlage und im Rhein in Wallbach beim Uferweg. Das bedeute aber nicht, dass man an diesen Orten nicht mehr baden solle, sagt Nüesch. Die meisten Werte lägen im akzeptablen Bereich. Wenn sich das ändern sollte, würde der Kanton die Ursache genauer abklären und im schlimmsten Fall ein Badeverbot verhängen.
Nach Gewitter hat es viel mehr Keime im Fluss
Das Wichtigste sei ohnehin immer die Selbsteinschätzung, sagt Nüesch. Wie braun und trüb ist das Wasser? Wie riecht es? Wenn es stark oder lange geregnet hat, nimmt die Zahl der Fäkalkeime kurzzeitig an den meisten Orten massiv zu. Der Grund: Der Regen bringt die Kläranlagen an ihre Kapazitätsgrenzen. Sind auch die Auffangbecken voll, fliesst ein Teil des Abwassers nur leicht vorgereinigt in die Flüsse.
In der Reuss, dem kleinsten der vier grossen Aargauer Flüsse, sei die Verschmutzung nach starken Regenfällen am grössten, sagt Nüesch. Generell empfiehlt es sich, nach einem heftigen Gewitter ein bis zwei Tage mit dem Baden im Fluss zu warten.
Was passiert, wenn man sich nicht an diese Regel hält, zeigt sich bei der Flusswelle in Bremgarten. Gerade wenn die Reuss viel Wasser führt, sind nämlich die Bedingungen für die Surferinnen und Surfer am besten. Mehrmals haben sich Personen beim Kanton beschwert, weil sie sich beim Surfen eitrige Wunden oder eine Mittelohrentzündung geholt haben. Nüesch sagt: «Das ganze Jahr über und bei jedem Wetter Badewasser in ausreichender Qualität sicherzustellen, ist schlicht nicht möglich.»
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