Pflastersteine bremsen Rollstuhlfahrer aus

Baden hat die Fusswege um den Kurplatz neu gestaltet, mehrheitlich mit Pflastersteinen statt wie bisher mit Asphalt. Für Menschen im Rollstuhl wie Christian Vontobel sind der schräge Boden und die Rillen ein Hindernis.

erschienen im Badener Tagblatt am 9. Mai 2022

Christian Vontobel zeigt, wie mühsam die Fahrt mit dem Rollstuhl über den schräg abfallenden Pflasterweg vor dem «Limmathof» ist. Bild: Alex Spichale

Christian Vontobel (52) sitzt im Rollstuhl. Und er ist täglich im Bäderquartier unterwegs. Mit seiner Assistenzhündin Chaya spaziert der Ennetbadener jeweils über den Mercier-Steg und dann entlang der Limmat weiter durch den Mättelipark oder in entgegengesetzter Richtung zur Unteren Halde. Die Variante «Untere Halde» ist für ihn seit November 2021 aber deutlich unangenehmer geworden.

Denn der Abschnitt der Limmatpromenade zwischen dem Restaurant Goldener Schlüssel und dem Hotel Limmathof ist neu gepflastert statt asphaltiert. So auch der Kurplatz, an den die neue Rehaklinik im Verenahof angrenzen wird. Im Zuge der Neugestaltung des Bäderquartiers hat die Stadt Baden den zentralen Platz und die Fusswege drumherum mit Pflastersteinen bestückt.

Für den Rollstuhlfahrer ist der neue Belag ein doppeltes Hindernis: Einerseits ist die Durchfahrt deutlich anstrengender geworden, weil die Rollstuhlräder in den Rillen zwischen den Pflastersteinen und dem Fugenmaterial hängenbleiben. Andererseits ist der Weg nicht eben, sondern fällt zur Limmat hin schräg ab. Um in der Schräge geradeaus zu fahren, muss Vontobel das untere Rad viel mehr anstossen und gleichzeitig mit der oberen Hand bremsen.

Ennetbadener Promenade ist rollstuhlfreundlicher

Das Holpern und die ungleiche Belastung der Muskeln bereiten dem Teiltetraplegiker zusätzliche Schmerzen im Rücken und in den Armen. Unnötig, wie er findet. Um Schmerzen zu verhindern, fährt Vontobel wenn immer möglich entlang der Entwässerungsrinne am linken Rand des Weges. Dort ist der Boden am ebensten.

Auf Höhe des Restaurants Dory & Du verläuft die Rinne jedoch über einen Parkplatz. Ist ein Auto parkiert, muss er trotzdem auf die Schräge ausweichen. Vontobel sagt: «Ich finde, die Stadt hätte bei der Neugestaltung der Wege im Bäderquartier mehr Rücksicht auf behinderte Menschen nehmen können.»

Man hätte den Weg besser ebnen können oder zumindest einen Teil mit glatteren Steinplatten statt Pflastersteinen auslegen können – so wie bei der Promenade auf der anderen Flussseite.

Die Ennetbadener Badstrasse hat innen entlang des Geländers einen Abschnitt mit Steinplatten. Diese schliessen dichter aneinander an, weshalb der Rollstuhl dort fast so gut wie auf Asphalt rollt.

Behinderte Menschen besuchen Bäder besonders oft

Vontobel ist kurz nach der Reha vom handangetriebenen Rollstuhl auf einen Elektrorollstuhl (Kostenpunkt: 28’000 Franken, nicht von der IV bezahlt) umgestiegen. Mit diesem meistert er die Steigung wie auch den grösseren Rollwiderstand wegen der Rillen, ohne Muskelkraft aufwenden zu müssen. Die Rollstuhlunfreundlichkeit des gepflasterten Abschnitts an der Limmatpromenade demonstriert er aber im Rollstuhl ohne Elektroantrieb.

«Ich tue das nicht nur für mich, sondern für andere Menschen im Rollstuhl und für alte Menschen mit Rollator», sagt er. Gerade das Bäderquartier mit der neuen Rehaklinik und den vielen Kurhotels sollte doch auf Menschen mit Behinderungen eingehen, die hierher zum Kuren oder für eine Therapie kommen, so der 52-Jährige. Er sagt: «Auch sie wollen selbstständig anreisen und sich frei bewegen können.»

Die Frage, die sich stellt: Inwiefern hat die Stadt Baden bei der Gestaltung der Fusswege im Bäderquartier auf Menschen mit Behinderungen Rücksicht genommen? Der zuständige Projektleiter, René Zolliker, sagt, die Stadt kenne die Normen für hindernisfreies Bauen. Bei grösseren Bauten wie dem Bäderprojekt arbeite man zudem immer mit der entsprechenden Fachstelle zusammen.

Bewusst Pflastersteine statt Flusswacken gewählt

Die Fusswege und den Kurplatz wieder zu asphaltieren, sei von Anfang an ausgeschlossen worden. «Asphalt wird der historischen Bedeutung des Platzes nicht gerecht», sagt Zolliker. Früher war der Kurplatz mit Flusswacken bedeckt, also vom Wasser rundgeschliffenen Steinen. Diesen Belag habe sich die kantonale Denkmalpflege gewünscht.

Aus Rücksicht auf Menschen mit Behinderungen habe man sich bewusst für Gubelsteine mit gesägten Kanten entschieden. Die gleichen Steine, die auch schon in anderen Teilen der Stadt eingesetzt werden. Dennoch räumt Zolliker ein: «Wir wissen, dass Pflastersteinwege für Menschen im Rollstuhl nicht optimal sind.» Einen Teil der neuen Fusswege mit Steinplatten auszulegen, sei wegen der Optik nicht in Frage gekommen. Die Steinplatten würden zudem viel mehr kosten als Pflastersteine, so der Projektleiter.

Angesprochen auf das Quergefälle der Limmatpromenade sagt Zolliker, der Weg sei heute weniger schräg als vor dem Umbau. Zudem habe man beim Umbau die Absätze zwischen Trottoir und der Strasse entfernt. Den Weg ganz auszuebnen, sei wegen der bestehenden Häusereingänge nicht möglich gewesen. Zumindest das Problem mit der Entwässerungsrinne, die über den Parkplatz verläuft, soll sich lösen. Die Stadt will die Parkplätze auf der Promenade demnächst auflösen.

Cartoon: Silvan Wegmann

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